Eines unserer Mitglieder schickte uns kürzlich folgenden Beitrag, den wir gerne veröffentlichen, weil er einige sehr interessante Aspekte zum Thema Belastung durch Veranstaltungen und die Solidarität nicht direkt Betroffener geht.

Nur nicht vor meiner Haustür

In der andauernden Diskussion über die immense Anzahl von umstrittenen Veranstaltungen im historischen Altstadt-Kern von Ettenheim sehen sich die Bürger, die sich dagegen wehren und versuchen, dagegen vorzugehen, im Wesentlichen mit drei Problemen konfrontiert.

Diese Probleme sind der Vorwurf der mangelnden Toleranz, zu wenig Solidarität seitens anderer Betroffener sowie der Umgang der Presse mit den kritischen Bürgern.

Man kann nun beginnen, endlos zu diskutieren, wie weit Toleranz gehen muss. Muss toleriert werden, daß eine Umkehrung der Verhältnisse dahingehend erfolgt, daß die Festbesucher entgegen aller Gesetzgebung lärmen dürfen, wo sie und wie lange sie wollen? Und im Gegenzug, die betroffenen Altstadt-Bewohner, die nicht entscheiden können, wann sie den Ort des Geschehens verlassen, alles hinnehmen, sprich tolerieren müssen?

An Wochenenden erhebliche Einschränkung ihrer Mobilität, verursacht durch Straßensperrungen, grenzenlos tolerieren müssen, damit die auswärtigen Festbesucher ungestört ihrem Amusement nachgehen können? Und diese Einschränkungen sind  nicht nur bei uralten Traditionsveranstaltungen vorhanden, sondern auch bei immer mehr kommerziellen Veranstaltungen.

Ein großes Problem ist des Weiteren ganz besonders die fehlende Wahrnehmung durch nicht betroffene Bürger. Das ist sogar irgendwie verständlich, sieht man sich nicht andauernd selbst mit ähnlichen Problemen konfrontiert.

Was für mich jedoch unverständlich ist, ist die Tatsache, daß sogar selbst von ähnlichen Problemen betroffene Bürger offenbar nicht nachvollziehen können, wie die Ettenheimer Altstadtbewohner empfinden.

Veranschaulichen läßt sich dies gegenwärtig mit einem konkreten Beispiel aus Herbolzheim.

Dort plante via Facebook eine Internet-Figur ein großes Musikfestival und erhielt in kürzester Zeit mehrere tausend Teilnahme-Zusagen. Dies rief eine Gruppe von in der Nähe wohnenden Bürgern auf den Plan, welche sogleich einen Leserbrief in der lokalen Presse veröffentlichten und ihre Ablehnung dieses geplanten Festivals ausdrückten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Herbolzheimer Stadtverwaltung weder eine Stellungnahme abgegeben, noch wußte man nicht, ob, und falls ja, mit welchen Auflagen dieses, im Übrigen sehr vage angekündigte, Festival überhaupt stattfinden könnte.

Bevor sich der geneigte Leser fragt, was dies überhaupt mit der BI Altstadt Ettenheim zu tun haben soll, möchte ich auf den Punkt kommen.

Federführende Personen aus der betroffenen Herbolzheimer Anwohnerschaft haben sich just in dem Zeitraum, während die Aufregung um das geplante Festival groß war, selbst als aktive Musiker an einer der umstrittenen Afterwork-Parties in Ettenheim beteiligt. Und dies ist mir unverständlich. Bürger, welche sich gegen solche und ähnliche Veranstaltungen wehren, stoßen in der Regel allerorten auf Unverständnis von Nicht-Betroffenen. Somit hofft man zumindest auf Verständnis bei, wenn auch anderweitig, aber ähnlich Betroffenen.

Nun müssen die Ettenheimer jedoch feststellen, daß Bürger, die sich in ihrem Wohnort mit identischen Problemen konfrontiert sehen, sich auswärts selbst aktiv an solchen Veranstaltungen beteiligen.

Wie gesagt; gerade bei solcherart Betroffenen bin ich immer davon ausgegangen, daß sie zu den Wenigen gehören, welche die Beweggründe beispielsweise der BI-Altstadt Ettenheim nachvollziehen können und man ein gewisses Maß an Solidarität erwarten dürfte.

Da muß einem zwangsläufig das „St.Florians-Prinzip“ in den Sinn kommen. Oder wie heutzutage gerne im Netzjargon genannt: das NIMBY-Syndrom. NIMBY = Not In My Backyard. Frei und sinngemäß übersetzt: Nicht vor meiner Haustür.

Um klarzustellen. Es ist nicht meine Absicht, das Anliegen der betroffenen Herbolzheimer Bürger in irgendeiner Art und Weise herabzuwürdigen. Ich habe vollstes Verständnis für die Sorgen und Nöte, welche auftauchen, wenn solch eine Veranstaltung wie das Hans Entertainment Festival auch nur angedacht ist. Vor allem, wenn man durch weitere Störfaktoren, wie im vorliegenden Fall die Nähe zur Bahnlinie und der nahgelegenen Diskothek, bereits sensibilisiert ist.

Ich habe aber die Absicht, zum Nachdenken anzuregen, wie weit es her ist mit Toleranz und Solidarität, wenn gerade solche Bürger anderswo, weit weg von ihrem Wohnort genau das tun, was sie zuhause ablehnen.

Beim Thema Solidarität kann man aber auch noch weiter ausholen und muß die Themen nicht mehr nur auf die Altstadt Ettenheim und ihr Veranstaltungs-Problem beschränken.

Hört man sich in Ettenheim um, stößt man in verschiedensten Wohngebieten und Ortsteilen auf individuelle Probleme, die aber alle eines gemeinsam haben. Sie sind von der Rathausspitze verursacht. Seien es Probleme mit dem Straßenverkehr in Wohngebieten, sei es mangelnde Internet-Versorgung in Münchweier, die von den dortigen Bürgern seit Jahren beklagt, aber von der Stadtverwaltung nicht ernsthaft in Angriff genommen wird. Sei es, daß sich weitere Ortsteile bei Investitionen zu kurz gekommen fühlen.

Allem gemein ist aber auch, daß jede Gruppe ausschließlich ihr eigenes Problem sieht, und die Probleme der jeweils anderen im besten Falle zur Kenntnis nimmt, und im schlimmsten Falle ignoriert oder sich gar negativ darüber äußert.

Allen Betroffenen muß aber klar sein. Nur gemeinsam ist man stark und wenn alle Gruppen von Betroffenen sich solidarisieren würden und gemeinsam die nach nunmehr 20 Jahren verknöcherten Strukturen in der Rathausspitze angehen würden, gäbe es Hoffnung, daß in nicht allzu langer Zeit das eintritt, was allen von Ettenheimer Mißständen Betroffenen zu Gute kommen würde. Ein längst fälliger Wechsel an der Rathausspitze und ein Neuanfang, weg von ausgetretenen Trampelpfaden.

Weg von stereotypen Aussagen wie „man kann es nicht jedem Recht machen“. Was im Umkehrschluß wohl bedeutet. „Dann mache ich mir die Welt bzw. Ettenheim, wie es mir gefällt“.

Abschliessend ist es mir ein Anliegen, mich zum Umgang der regionalen Presse, im speziellen der Badischen Zeitung, zu äußern.

Ich habe äußerst wenig Verständnis dafür, wie diese Zeitung im Falle der oben beschriebenen Vorgänge um das Herbolzheimer Festival mit der Meinungsfreiheit ihrer Leser umgegangen ist. Die BZ hat jüngst ausführlich über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Internet-Figur Hans Entertainment und auch das geplante Festival berichtet. An einem Tag jedoch, an dem rege von der Kommentarfunktion auf BZ-Online Gebrauch gemacht wurde, haben zahlreiche Kommentatoren die Leserschaft genau auf diese oben geschilderten Zusammenhänge Herbolzheim Festival NEIN – Ettenheim AfterWorkParty JA – aufmerksam gemacht. Jegliche Kommentare, die diesen Widerspruch auch nur erwähnten, wurden gelöscht. Und nicht nur dies; Es wurden gleichzeitig die zugehörigen Kommentatorenprofile rigoros gesperrt.

Es muß jedoch jedem klar sein, daß die Presse ausschliesslich das berichtet, was die MEHRHEIT ihrer Leserschaft lesen möchte. Und da komme ich wieder auf den Schwerpunkt meines Beitrags zurück. Nur mit Solidarität schafft man Mehrheiten. Bekäme man alle mit der Rathausspitze unzufriedenen Ettenheimer Bürger ‚unter einen Hut‘, würden sich diese Mehrheitsverhältnisse deutlich verschieben und dies könnte auch die Presse nicht mehr ignorieren und mit wohlwollenden Berichten über die Rathausspitze übertünchen.

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