Zusammenfassung

Hat der Bürgermeister mit einem Gutachten, das keines ist, den Gemeinderat und die Öffentlichkeit getäuscht? Eine Antwort-Email der Stadt auf Fragen in der Frage-Viertelstunde soll den Verdacht entkräften. Bei genauer Prüfung bestätigt das Schreiben jedoch den Verdacht der BI und präsentiert eine neue Lüge.

Die Fragen im Gemeinderat

Während der Frageviertelstunde in der Gemeinderatssitzung vom 20.06.2016 hatte Günter Krieg einige offene Fragen zum Thema Lärmuntersuchung in der Altstadt gestellt.

Im Wesentlichen ging es darum, dass die Stadt eine Untersuchung des Straßenlärms beauftragt hatte, die zu keiner Bewertung der Lärmbelastung kam. Der Sachverständige hatte zwar einige Messungen und Berechnungen durchgeführt. Er hatte die tatsächliche Lärmbelastung jedoch nicht ermittelt, weil ihm offensichtlich die benötigten Daten über die Fahrzeuge pro Tag fehlten. In seinem Fazit schreibt der Gutachter Dr. Jans:

Auf der Grundlage der Messergebnisse kann nur dann der Beurteilungspegel [die Lärmbelastung] ermittelt werden, wenn die Frequentierung der Friedrichstraße durch Pkw bekannt ist. D. h., die Messergebnisse erlauben ohne Kenntnis derartiger Zähldaten keine Aussage, ob die Immissionsgrenzwerte eingehalten oder überschritten werden.*

Hier die Antworten der Stadt zu den jeweiligen Fragen von Günter Krieg. Aus dem Antwortschreiben der Stadt im Original:


„Zu Frage 1:

Warum wurden dem Sachverständigen keine Verkehrszahlen vorgelegt, obwohl aktuelle Zahlen aus 2013 und 2014 vorliegen und die Stadt jederzeit neue Messungen durchführen kann?

Antwort:

Der Sachverständige Herr Dr. Jans hat von der Stadt alle gewünschten Zähldaten erhalten. Es wurden keine Verkehrszahlen vorenthalten.

Zu Frage 3:

In der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat (vom 06.10.2015) schreiben Sie:

„Messungen des Büro für Schallschutz, Dr. Jans, haben ergeben, dass der derzeitige Natursteinbelag nicht unverhältnismäßig laut ist.“

Wie erklären Sie den Widerspruch zu den Aussagen des Sachverständigen?

Antwort:

Herr Dr. Jans sieht hier keinen Widerspruch. Der Messbericht bezog sich auf Schallpegelmessungen beim Anwesen Friedrichstraße 30 und hatte zum Ziel, zu überprüfen, wie dort der bestehende Pflasterbelag in schalltechnischer Hinsicht zu beurteilen ist. Ergebnis dieser Messungen war, dass der Pflasterbelag nicht unverhältnismäßig laut ist.

Zu Frage 4:

Zwei Sachverständige wurden befragt. Der Gutachter der BI stellt fest, dass die Grenzwerte deutlich überschritten werden. Der Sachverständige der Stadt kommt zu keinem Urteil, weil ihm die Stadtverwaltung Verkehrszahlen vorenthält. Halten Sie es für verantwortungsvoll, bei dieser Faktenlage keine weiteren Untersuchungen anzustellen?

Antwort:

Es wurden keine Verkehrszahlen vorenthalten. Zum Ergebnis verweisen wir auf den Untersuchungsbericht Nr. 5903/334 vom 25.09.2015, der Ihnen vorliegt.

Zu Frage 2:

Was hat der Messbericht gekostet?

Antwort:

Das Ihnen von uns mit Mail vom 25.06.2015 übermittelte Angebot mit einem oberen Honorarlimit des Büro für Schallschutz Dr. Jans vom 25.06.2016 wurde nicht überschritten.“


Kurze Beurteilung der Antworten

Dem Kern der Fragen weicht die Stadt aus. Die Stellungnahme besteht im Wesentlichen aus Verneblungen und zumindest einer expliziten Lüge. Von den offensichtlichen Widersprüchen soll mit scheinbar sachlichen Antworten und der Einbindung von Experten-Aussagen abgelenkt werden.

Zu den Antworten im Detail:

Die Antworten zu den Fragen 1 & 3 sind rätselhaft. Der Sachverständige schreibt in seinem Bericht, dass er ohne Zähldaten keine Bewertung der Lärmbelastung abgeben kann. Die Stadt behauptet in Antwort 1, er habe alle („gewünschten“) Verkehrszahlen erhalten. Und der Bürgermeister bleibt bei seiner Einschätzung, wonach aus der Untersuchung hervorgeht, dass das Pflaster „nicht unverhältnismäßig laut“ ist. Wie soll das zusammenpassen?

Wenn man in das Kleingedruckte im Bericht des Sachverständigen blickt, ahnt man, welcher spitzfindigen Logik die Argumentation der Stadt folgt.

Im Abschnitt über den Zweck der Untersuchung schreibt Herr Dr. Jans:

Um objektive Ausgangsdaten zur Ermittlung und Beurteilung der schalltechnischen Situation zu erhalten, sollten messtechnische Untersuchungen an einem ausgewählten, von der Stadtverwaltung Ettenheim vorgegebenen Messpunkt durchgeführt werden.“

Man muss den Satz mehrfach lesen, um zu verstehen, wo die Pointe ist. Der vorgelegte Bericht sollte noch keine endgültige Beurteilung des Verkehrslärms liefern, sondern lediglich die „Ausgangsdaten“. Diese sollten aus Sicht des Gutachters vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Kombination mit aktuellen Zähldaten zu einer „Beurteilung der schalltechnischen Situation“ zusammengeführt werden.

Wenn man den Auftrag von Herrn Dr. Jans so versteht, dann benötigte er für seine Voruntersuchung keine Verkehrsdaten. Im Lichte dieser Zielsetzung, versteht man Antwort der Stadt zu Frage 1 besser:

„Der Sachverständige Herr Dr. Jans hat von der Stadt alle gewünschten Zähldaten erhalten. Es wurden keine Verkehrszahlen vorenthalten.“

Weil von Vorneherein keine Verkehrszahlen in die Voruntersuchung einfließen sollten, spielt es keine Rolle, welche Daten der Sachverständige sich „gewünscht“ hat. Die Stadt konnte ihm auch nicht wirklich Zahlen vorenthalten.

Dieser Winkelzug entkräftet die Kritik, die hinter den Fragen von Günter Krieg steht jedoch keinesfalls. Denn die Tatsache, dass es sich nur um eine Voruntersuchung ohne Aussagekraft handelt, wurde in der Öffentlichkeit nicht kommuniziert.

Vielmehr wurde von der Stadtverwaltung im Gemeinderat, in der Sitzungsvorlage und in dem vorliegenden Antwortschreiben behauptet, dass der Bericht von Dr. Jans bereits eine Bewertung der Lärmbelastung enthalte („nicht unverhältnismäßig laut“). Hierbei handelt es sich um eine bewusste, weil wiederholt vorgebrachte Täuschung der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger im Rat.

Um die Behauptung glaubwürdiger zu machen, garniert sie die Stadt mit einer eindeutigen Lüge. So wird in dem Antwortschreiben an Günter Krieg behauptet:

„Der Messbericht … hatte zum Ziel, zu überprüfen, wie dort der bestehende Pflasterbelag in schalltechnischer Hinsicht zu beurteilen ist.“

Genau diese Beurteilung des Pflasterbelags sollte der Sachverständige nicht vornehmen, weil es nicht Zweck seiner Untersuchung war. Er konnte sie auch nicht vornehmen, weil ihm die dafür notwendigen Verkehrsdaten nicht bekannt waren.

Jetzt sind wir wieder beim Ausgangspunkt der Fragen von Günter Krieg: Warum lässt die Stadt einen Untersuchungsbericht anfertigen, der zur Einhaltung der Lärmgrenzwerte nichts sagt? Und warum tut der Bürgermeister anschließend so, als ob der Bericht die Einhaltung der Grenzwerte bestätigt?

Aus unserer Sicht ist die Antwort klar: Der Bürgermeister weiß genau, dass die Lärmgrenzwerte in der Innenstadt überschritten werden und dass jedes seriöse Gutachten die Überschreitung bestätigen würde. Also versucht es mit einem Zaubertrick – einer Illusion. Er lässt einen Bericht von einem Lärmsachverständigen anfertigen, tut so, als sei das ein vollwertiges Gutachten, behauptet, darin würde stehen, dass alles in Ordnung ist, und hofft das niemand den Bericht kritisch liest.

Die BI wird alles dafür tun, dass dieser Zaubertrick auffliegt.

Zu den Fragen aus der Gemeinderatssitzung vom 26.07.2016 und den verblüffenden Antworten hier mehr (siehe Artikel „Kann der hellsehen?“).


*Zum leichteren Verständnis wurde das Zitat gekürzt. Der Inhalt und die Aussage bleiben praktisch unverändert. Die Originaltextstelle im  Messbericht Nr. 5903/1103 S. 5 von Dr. Jans lautet wörtlich:

„Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der Messergebnisse nur dann der für die Beurteilungszeiträume „tags“ (6.00 bis 22.00 Uhr) und „nachts“ (22.00 bis 6.00 Uhr) maßgebende, mit einschlägigen Referenzwerten zu vergleichende Beurteilungspegel am Immissionsort Friedrichstraße 30 ermittelt werden kann, wenn die Frequentierung der Friedrichstraße durch Pkw und Lkw sowie ggf. Motorräder im hier interessierenden Streckenabschnitt für den gesamten Tag- und Nachtzeitraum bekannt ist. D. h., die Messergebnisse erlauben ohne Kenntnis derartiger Zähldaten keine Aussage, ob beispielsweise die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung eingehalten oder überschritten werden.“

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